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2. Bericht zum Entwicklungsdienst mit EDEJU (Okt 1998)

Erster Bericht aus Namibia (13.10. bis 31.10.1998)

Vorbereitungen zu EDEJU-Namibia

Morgens mache ich mich auf den Weg mit meinem Fahrrad. Ich fahre durch das "europäische" Wohnviertel EROSPARK, vorbei an hohen Zäunen, eisernen Toren und kläffenden Hunden - hier sind die braven Bürger eingesperrt und die Kriminellen laufen frei herum.
Nach ein paar Kilometern gelange ich zu der großen Brücke, die mich über die Eisenbahn führt. Langsam komme ich Richtung Katutura, einem Stadtvirtel, in dem noch vor einigen Jahren Verhältnisse wie in einem Slum anzutreffen waren. Hier leben die Afrikaner, hier leben die Schwarzen.
Ich biege in die Hans-Dietrich-Genscher-Straße ein, wobei ich wette, daß niemand diesen Namen hier im schwarzen Katutura aussprechen kann, noch weiß wer eigentlich Hans-Dietrich-Genscher ist. Über zwei Hügel und zwei Ampeln hinübergefahren, halte ich bei einem Kindergarten an. Seit dem ein Namibia-Deutscher hier in Katutura einen Kindergarten gestiftet hat, schießen sie jetzt wie Pilze aus dem Boden. Warum es vorher keine gab? - Der Staat finanziert keine Kindergärten, denn er ist arm (Anmerkung: Er kann sich aber leisten Soldaten in den Kongo zu schicken). Es gibt auch keine Zivildienstleistenden, die den sozialen Einrichtungen unter die Arme greifen könnten.
In dem Kindergarten "Cildrens Futur Creche" treffe ich Betty, die Leiterin des Kindergartens, und stelle ihr ein paar Fragen.

In dem Ganztageskindergarten sind ca. 75 Kinder, die zum Teil von der Straße "aufgesammelt" worden sind. In Deutschland wären in diesen Räumlichkleiten höchstens 20 Kinder untergebracht. Es gibt keinen Spielplatz: wenig Spielzeug und das meiste ist kaputt. Der größte Teil der Kinder scheint gesund zu sein (manche dürften jedoch durch ihre Mütter mit dem Aidsvirus infiziert sein, der am stärksten ausgebreiteten Krankheit in Namibia). Die hygienischen Verhältnisse sind ok (zumindest für afrikanische Verhältnisse), zu essen gibt es genug: Reis oder Maisbrei, dazu wird Leitungswasser getrunken, welches hier sogar noch Trinkwasserqualität hat. Dieser Kindergarten ist also nicht sehr gut ausgerüstet, hier gibt es auch nur 4 Erwachsene, die sich um die Kinder kümmern (alle ohne entsprechende Ausbildung). Die Kinder von den wirklich armen Eltern sind hier untergebracht. Die monatliche Gebühr beträgt 30N$ (entspricht ca. 20 DM, wenn man die doppelte Kaufkraft des Namibiadollars berücksichtigt). Doch selbst diese Gebühr kann von manchen nicht aufgebracht werden, aber selbst dann dürfen die Kinder in dem Kindergarten bleiben, da sie sonst alleine zu Hause oder auf der Straße wären. Ein Teil der Kinder schläft auch ab und zu im Kindergarten, da die Eltern sie nicht immer abholen.

Nachdem mir Betty alle Fragen beantwortet hatte, bat sie mich aus Deutschland Geld zu organisieren, weil die Verhältnisse hier so schlecht seien.
ACHTUNG - typisch Afrika: "Ihr Europär / Amerikaner seid so reich, und wir so arm, also haben wir den Anspruch von Eurem Reichtum etwas abzubekommen." Genau dieser Bitte ist man aus Mitleid nachgekommen, und kommt ihr auch heute noch durch direkte Geldspenden nach. - Mit verherenden Folgen: Die Afrikaner haben nur eine Möglichkeit aus ihrer Armut zu entkommen: Sie müssen den harten Weg der Eigeninitiative, der Arbeit und der Bildung nachgehen, und sich neue Ziele setzen. Wer dies begriffen hat, kann es zu etwas bringen. Den meisten fällt es aber sehr schwer, wenn Sie sehen, daß andere durch reiche Länder unterstützt werden (Kleider, Geld, etc.), ohne das diese dabei eine Gegenleistung erbringen. Ich erkläre also Betty, daß ich den Kindergarten unterstützen werde, indem ich mit ihrem Sohn und ein paar anderen jungen Erwachsenen aus Katutura billiges Spielzeug herstellen werde (wodurch sie handwerkliches und kaufmännisches Geschick für eine bessere Zukunft erlangen können), welches gleichzeitig gut für die Kinder ist (aus autodidaktischen Gründen: Wenn die Kinder ein Tier aus mehreren Puzzelteilen zusammensetzten, schult das motorische und kombinatiorische Fähigkeiten). Dieser Ansatz der Hilfe entspricht dem Hilfe-zur- Selbsthilfe Prinzip, der in meinen Augen der einzig sinnvolle ist. Dann fahre ich noch zu einem weiteren Kindergarten (immer noch in Katutura), indem es verhältnismäßig besser aussieht (der monatliche Beitrag ist auch fast doppelt so hoch, hier gibt es dafür sogar einen kleinen Spielplatz).

Danach geht es ins Stadtviertel Hochlandpark. Hier wohnen hauptsächlich Weiße und besser gestellte Schwarze, die es zu etwas Geld gebracht haben. Ich fahre zu einem kirchlichen Kindergarten- College-Zentrum, denn hier hilft mir Epifanio Zezito bei den Angelegenheiten mit den einheimischen Behörden, und bringt mich in Kontakt mit anderen sozialen Kinder und Jugendeinrichtungen wie z.B. dem SOS-Kinderdorf und COLS (=Change Of Life Style, eine Organisation die sich um Kinder und Jugendliche kümmert, die nicht mehr in der Gesellschaft zurechtkommen, und gibt ihnen neue Perspektiven, indem sie ihnen zeigt, wie man mit einfachen Mitteln legal zu Geld kommen kann, damit Sie sich später wieder in die Gesellschaft einglieder können). Hier werde ich auch bald Workshops anfangen können.
Gegen Nachmittag erledige ich Dinge in der Stadt und komme gegen Abend halb tot zu Hause an: 20 km Fahrrad über Berge, Stock und Stein bei brütender Hitze in der dünnen Luft des 1700m hoch gelegenen Windhöks hinter mir. Alle paar Tage nehme ich mir einen freien Vor- oder Nachmittag, was nicht bedeutet daß ich dann nichts mache, sondern daß ich nur nicht unterwegs bin, und stattdessen Berichte oder Briefe schreibe, lese oder an neuen Spielzeugideen herumtüftele.
Mit anderen Worten ich bin voll mit der ersten Phase meines Projektes ausgelastet:

Zu guter letzt vielen Dank für die umfangreiche Unterstützung dieses Projektes, sei es auf finanzieller Weise, seien es ein paar nützliche Gefallen oder das einfache Interesse an meiner neün Arbeit, denn ohne diese drei Standbeine könnte ich gar nicht hier sein.

Ingo Frost (Veröffentlicht im Internet unter: http://members.aol.com/coolfrost/nam_log2.htm, als Nesletter und in brieflicher Form)


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